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Randnotiz: Wintergarten

Zwei Kerzen brennen. Ein Auto rauscht an unserer Spacekapsel vorbei. Es ist nicht zu sehen. Wir sind in einer Blase aus Glas. Es gähnt neben mir. Am blühenden, pinken Baum gegenüber erkenne ich immer, wo unser Haus steht. Er steht direkt unter einer Laterne und leuchtet auch, wenn es rings um ihn längst dunkel geworden ist. 

Ein Auto mit wummerndem Bass. Wohin fahren sie heute noch? Woher kommen sie? Fragen, die antwortlos bleiben werden. Im Nachbarhaus sind die belebten Fenster bereits per Rollladen verriegelt. Am Himmel sind keine Sterne zu sehen. Wenn ich hochblicke, sehe ich mir selbst in die Augen. Ich bin in eine Decke eingewickelt. Die Blüten auf der Decke duften nach Waschmittel.

Im Nachbargarten brennen zwei runde Gartenlämpchen, denen der Mähroboter tagsüber ausweichen muss. Unsere Weltraumkapsel. Mit an Bord: ein paar schweigsame Topfpflanzen. Wozu gibt es Wintergärten eigentlich? Man ist nicht drinnen und nicht draußen. Neben uns der nackte Backstein der Außenwand.

Vorhin haben wir uns daran erinnert, dass wir den Dingen, die auf den Straßen so landen, auf die Spur gehen wollten. Aber die Straßen Vechtas sind blitzblank. Eine Frau saugte heute in der Großen Straße den Gehweg vor einem Laden.

Die Menschen, die man erahnen kann, sitzen in Autos. Durchfahrende. Jeder im eigenen fahrenden Mikrokosmos. Im Licht der Laterne fliegen keine Insekten. Aber tagsüber haben wir einen schwarzen Marienkäfer entdeckt. 

Das Rauschen ist meditativ, kann aber auch beunruhigen. Ein Knacken hinter uns. Die Badtür quietscht nicht mehr. Der Vermieter kam mit seinem Spray, bevor wir das Problem mit Olivenöl beheben konnten. 

Wer wohnt noch in unserer Straße? Beim Abendspaziergang sah ich, dass die Häuser doch keine Attrappen sind. Das Licht hinter den Fenstern brennt. Wovon wird nachts geträumt? Letzte Nacht habe ich geträumt, dass alle Haustüren in meinem Treppenhaus umgestrichen wurden, außer meine. Ich wusste, dass ich träume und deshalb war mir alles egal.

Der kleine Garten dieses Hauses hat eine Bank, zwei Zypressen und eine schwarze Wanne mit Sand und einem Bagger drin. Darin werden wir am Sonntag die Ostereier verstecken.

Die Frau im Café war froh, dass sie nach 20 einsamen Jahren aus ihrem Haus ausziehen konnte. In der Kita sagte ein Mädchen: „Wir haben ein SEHR großes Haus.“ Woher weiß das Kind, dass das Haus sehr groß ist? Ich bin müde und der pinke Baum gegenüber würde vielleicht auch lieber mal im Dunkeln sein, statt Tag und Nacht im Licht.

Es rauscht und meine Gedanken rauschen mit. Wie Wolken, die man meditativ ziehen lassen soll. Heute werden meine Gedanken jedoch von Autos überfahren und weitergezogen. Einblicke, Ausblicke, Augenblicke. Ankunft, Abfahrt, Zeitabschnitte. Im Hier-und-Jetzt sein und sich der Temporalität bewusst sein. Das Vergangene doch immer wieder hochholen, weil Texte bearbeitet werden wollen und an die Zukunft denken, wegen neuen Projekten.

Der Schrittzähler sagt, ich sei heute knapp über 14.000 Schritte gegangen. Morgens, mittags, abends, raus. Was könnte man noch gebrauchen, um sich aus den Mauern der Stadtvilla zu schälen? Gar nicht so leicht, so ein großes Haus vollständig zu bewohnen. Die Kinder helfen gut dabei und werfen ihre kleinen Dinge mal hier mal da ab.

Diese Stadt scheint so glatt, ich perle manches Mal an ihr ab. Wie werde ich sie erinnern? Und ab wann? Sind wir im Schutz der Glaskuppel oder isoliert? „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!“. Sollte man im Glashaus dann besser nicht über Vechta schreiben?