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Traum von einem Feigenbaum…

16.03.2024
… nur die Zugbindung zieht mich aus dem Bett. Lucia schreibt: „Was soll das alles?“ Daraufhin fällt der Zug aus und ich hab noch Zeit zum Staubsaugen. Der Koffer hält alles, was ich habe.

Berlin, Hauptbahnhof. Eine Frau ruft ins Telefon: „Omi, ich hab bestanden!“ Ein Mann tanzt auf dem Bahnsteig. Ich schreibe Lucia, dass ich ihr auf dem Gleis entgegenkomme. Dann steigen wir mit Lucias Geschichte vom Speeddate in den ICE. Ich sitze auf Platz 21. Alles smooth. Wir lassen Berlin hinter uns. „Kaffee/Cappuccino“, ruft der DB-Mann, er schenkt uns zwei. Lucia trinkt beide. Wir wischen Männer hin und her. Der Typ gegenüber fragt, ob wir das aus Spaß machen. Er hat Liebeskummer, schreibt mit Schreibschrift Trennungsschmerzen in seinen Block. Sie hatten sich manchmal 8 Stunden lang gesehen, bis 2 Uhr nachts. Dann sei sie zu ihrem Freund gefahren. Unsere Station kommt, wir steigen im Gespräch aus. „Alles Liebe.“

Bahnhof Delmenhorst. Meine Jacke schützt nur gegen UV, gegen sonst nichts und der Wind zieht durch mich durch. Der Vogelgesang auf dem Gleis wird von Lucias Vogel-App nicht erkannt. Wir fahren Nordwestbahn an Tieren vorbei, an Holz und Getränkekisten. In Vechta steigen wir um 15:24 Uhr aus.

Hotel. Wir probieren die Schlüssel an allen Türen, sie passen nur im Keller. Dort ziehen wir ein. Die getönten Scheiben erlauben keinen Blick nach draußen. Hier sind wir auf uns zurückgeworfen. Ich finde einen Schalter an der Leinwand überm Bett und das Kerzenmotiv fängt an zu flackern.

Spaziergang. Der T-Rex frisst die Gartenzwerge auf und die Narzissen riechen. Laut App singt ein Austerntaucher neben uns im Busch. Jedes zweite Licht auf der Brücke funktioniert. Der Weg endet, wir gehen durchs Gras. Eine Frau sagt, zum Aldi müssen wir geradeaus, bis es nicht mehr weitergeht. Ihre drei Hunde wurden in ihr Leben geschwemmt. Sie findet die kleine Hundekacke nicht mehr. Lucia leuchtet ihr mit dem Handy. Sie bringt uns noch bis zur Ecke und wenn wir mögen, zeigt sie uns bald das Moor. Wegen der Wölfe können wir Pfefferspray mitnehmen, falls wir uns dann sicherer fühlen.

Aldi. Die Frau vor uns macht den Wocheneinkauf, wird ihn ins Auto hieven und bei sich zu Hause innerhalb von sieben Tagen verbrauchen. Wir schleppen unsere Einkäufe zu Fuß ins Hotel. Das TK-Festtagsgemüse dreht sich in der Mikrowelle und wir gehen durch leere Hotelflure. In der Hotelbar feiert ein Abiturjahrgang von 1977. Keiner weiß, was man hier vier Wochen lang machen soll. Einer sagt, seine Kindheit sei der Geruch nach Gülle. Und irgendwann mit 16 kam der Mais. Später im Keller gibts Gemüse mit Pfeffer.