Die Waldkathedrale

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Jenseits des Vechtaer Moorbachs zeigt sich ein langer Waldweg bei manchem Licht wie ein hoher Tunnel, mit Spitzbogen gar wie eine gotische Kathedrale. Davor kreuzen sich Wege in viele Richtungen, und immer halten hier Menschen, wie magnetisch angezogen, an anderen Kreuzungen nicht. Man hat hier schon Sitzbänke aufgestellt, woanders nicht. Doch selten setzt sich jemand.

Ein altes Pärchen steuert geradewegs auf eine Bank zu, vom Weg ab, auf das Gras, setzt sich dann aber nicht, sondern steht vor der Bank – Davorstehen fühlt sich auch wie Niederlassen an – und überlegt, wohin es weiter gehen soll. Zwei Mädchen spielen ausgerechnet hier Minuten lang mit ihrem Hund.  Radfahrer steigen ab. Zwei alte Damen kommen zum stehen, sie kamen plaudernd, stehen hier plaudernd und schlendern schließlich plaudernd weiter, ohne Notiz davon zu nehmen, warum sie angehalten sind. Ein Vater stellt den Kinderwagen in die Mitte und telefoniert, ich sitze hier auf einem Baumstamm und zeichne.

Denkt manchmal jemand nach, warum er hier eigentlich anhält? Ohne Absicht, automatisch? Ja, wäre es wirklich eine Kirche, und blickten wir zum Chor, wäre das hier die Vierung vor dem Altar.

Touristengruppen in unsere Leipziger Nikolaikirche strömen auch meist bis dorthin vor, bleiben stehen, schauen in alle Richtungen und – schießen Fotos.