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Über euer scheiß Mittelmeer käm ich, wenn ich ein Turnschuh wär.

Mario kommt zufällig vorbei, als ich mit Elshaimaa spreche und fleißig in meine Schreibmaschine tippe.

Es ist weder zu übersehen, noch zu überhören.

„Wieso tippst du auf der Schreibmaschine?“, fragt er.

Ich erkläre es ihm und er will später vorbeikommen. Er hat sogar selbst eine.

Wir haben ein super nettes, teils ernstes, teils lustiges Gespräch. Über ein einhalb Stunden sitzen wir da und quatschen über das Lehramt – Mario wird Grundschullehrer -, die Sinnhaftigkeit von Religionsunterricht, Europa, Waffen, den Unterschied zwischen Frieden und Pazifismus – und am Ende sogar über die goldenen Zitronen und ihren Turnschuh.

Für solche Momente mache ich dieses Projekt.

Mario trägt zwar eine Uhr, aber er nimmt sich trotzdem die Zeit. Eines der Kernelemente meines Projekts, fast eine Bedingung, auch für mich.

Bei den Interviews geht es nicht um Masse. Es geht nicht darum, so viele Leute wie möglich zu befragen. Sonst hätte ich Online-Fragebögen verschickt. Es geht darum, sich mit den Menschen zu unterhalten. Sie kennenzulernen. Zu verstehen, was sie bewegt, was sie geprägt hat, was ihre persönliche Geschichte mit Europa ist.

Und es lohnt sich diese Zeit zu investieren. Jedes einzelne Gespräch war besonders. Ehrlich und bewegend.

Bevor ich meine erste Frage stelle, unterhalte ich mich meist mit jedem, so kann man sich gegenseitig etwas kennenlernen und das Interview wird für beide Seiten angenehmer – und geht mehr in die Tiefe.

Es geht nicht darum, Fakten zu erfahren, Sachfragen zu stellen. Das Internet gibt uns weitaus mehr Daten, als wir verarbeiten können. Es gibt keine dummen Antworten. Es geht um die persönliche Meinung, um individuelle Ideen, einzigartige Geschichten.

Vielen Dank an dieser Stelle für euer großes Vertrauen und die – keineswegs selbstverständliche – Offenheit!

Mario gibt Europa „5 von 5 Sternen“. „Super Kontinent“, sagt er und lacht. Sagt dann: „Ah, das schreibst du jetzt auch? Meinetwegen.“ Und will irgendwann, dass ich Zwinkersmiley dahinersetze… 😉 Da ist er!

Er sagt, dass er sich eher als Deutscher fühle, keinen Bezug zu Europa habe – aber Europa zu ihm. Ich frage nach. Diesen Twist finde ich interessant. Er sagt: „Angefangen bei Kleidung, Nahrung, Möglichkeiten des Internets, Freunde, Sprache, Kultur, Essen…Das ist ewig fortführbar. Wie Europa mein Leben beeinflusst.“

Und stimmt. Selbst derjenige, der keinen Bezug zu Europa hat – wer hier lebt, zu dem hat Europa einen Bezug.

Am Ende zitiert er die Goldenen Zitronen:

„Über euer scheiß Mittelmeer käm ich, wenn ich ein Turnschuh wär. Oder als Flachbild-Scheiß – ich hätte wenigstens ein‘ Preis.“

Vielen Dank für diese zwei lustigen Stunden, für dein Interesse und für deine Zeit. Was gibt es Wertvolleres.