XI. Verd beim Basketball

 

Verd blockiert schon seit einer guten Stunde das Badezimmer. Es hat seinen Lautsprecher mitgenommen und hört laut Reggea Musik. One love… let’s get together and… grölt es, so laut es kann. Und: Lalala, wenn es den Text nicht weiß.

Verd steht auf der Ablage vor dem Spiegel zwischen Zahnpasta und Cremetübchen und einer angebissenen Möhre. Es hält ungelenk eine große Häkelnadel zwischen den Hufen und hat aus seiner wohl gepflegten Mähne große Rastas gemacht.

– Was ist denn hier los?, frage ich.

– Na, wir gehen doch gleich zum Basketball, wiehert Verd fröhlich.

– Und was ist der Zusammenhang?, frage ich.

– RASTA Vechta ist der geilste Club der Welt! Ich habe recherchiert: Der Verein wurde 1979 von Schülern gegründet, die Bob Marley-Fans waren. In Vechta wurde lange befürchtet, dass es eine Sekte ist. Und bis heute widersteht der Club dem gesellschaftlichen Zwang sich nach einem der Hauptsponsoren zu benennen. Love, peace and unity, sage ich da nur!

Verd dreht sich zu mir: Wir müssen gleich los. Soll ich dir auch noch die Haare machen?

– Nee, sage ich. Lass mal.

Mensch, sagt Verd enttäuscht. Wir werden da sicher total rausstechen, wenn du dir nicht die Haare machst…

– Naja, sage ich. Ist sicher auch nicht so viel anders als Fußball…

Das Pferd macht einen Quiekser und schnaubt entrüstet: Fußball??

Dann setzt es wieder seinen belehrenden Ton an: Basketball wurde 1891 von einem Pädagogen entwickelt, der eine Sportart begründen wollte, die ein geringeres Verletzungsrisiko hat. Mehr Teamgeist und weniger Kampf! Eben: Love, peace and unity.

– Ok, sage ich genervt, gehen wir jetzt los?

 

Wir nähern uns dem RASTA Dome. Schon von Weitem leuchtet alles in orange.

– Orange?, fragt Verd. Müsste es hier nicht grün-gelb-rot sein?

Verd!, ruft eine orange Frau von hinten. Dich kenn ich doch aus der Zeitung! Ist das dein erstes Rasta-Spiel?

– Äh, ja… sagt das Pferd zögerlich.

– Aber was ist denn mit deiner schönen Mähne geschehen?, ruft die Frau entsetzt.

Pfrrrr, macht Verd. Mist! Ich hab den Dresscode wohl doch nicht ganz verstanden…

Wir werden mit der Menge in die Halle geschwemmt. Uns erwartet ein dichtes Gedränge, der Geruch nach Bier, lauten Sirenen und der Gesang von Helene Fischer.

– Kein Bob Marley?, flüstert Verd enttäuscht. Und dann: Wow! Schau mal die Spieler an! Die sind ja riesig!

Aber in dem Moment springt das Maskottchen der Mannschaft auf die Spielfläche und tanzt wie verrückt: Bob, der Rastalöwe.

Ha!, brüllt Verd. Ich hab’s doch gesagt! Rastas und rot-gelb-grün!

– Verd, bleib hier, rufe ich noch. Aber Verd ist mit einem Satz von seinem Sitz gehüpft, huscht unter den Beinen der Leute vorbei, die Treppen runter und Richtung Spielfeld.

Ich stehe auf und will ihm nach, aber in diesem Moment geht das Spiel los. Die riesigen Basketballspieler setzen sich in Bewegung und die Menge tobt, ich gehe unter, in einem Meer aus Trommeln, Defense-Rufen und Geklatsche. Verd habe ich aus den Augen verloren. Völlig verzweifelt versuche ich mich zur Treppe durchzuschlagen.

Da tippt mich ein Zuschauer an: Ist das nicht Ihr Pferd? Und zeigt zur Spielfläche.

Verd ist mittendrin. Es galoppiert panisch hin und her und versucht den Füßen der Spieler und dem Ball auszuweichen. Beides würde seinen sicheren Tod bedeuten.

– Verd!, rufe ich immer wieder verzweifelt, während der Rest des Raumes Defense ruft.

Aber auf einmal steht alles – das erste Foul. Spielunterbrechung. Ich sehe Verd zitternd auf dem Spielfeld, es schaut sich um, nutzt die Gelegenheit und trabt zur Seite, verschwindet wieder in der Menge.

Die folgenden 100 Minuten verbringe ich völlig entnervt und auf-Verd-wartend an der Biertheke. Ich habe überhaupt keine Lust mehr das Spiel anzuschauen. Erst als das Endsignal ertönt und sich die Menge in Bewegung setzt, spüre ich seine Hufe auf meinem Schuh.

– Hast du mir zuguckt?, ruft es vergnügt.

– Habe ich was geguckt?, frage ich zischend.

Verd schaut mich nachdenklich an.

– Na auf der Spielfläche, das ganze Spiel über, mit… Ach vergiss es!

– Warte mal, sage ich da, hebe es in die Luft und betrachte es von allen Seiten: Die Mähne ist immer noch verzwirbelt, eines seiner Hufeisen ist abgefallen und – Verd wirft einen stolzen Blick auf seinen Pferde-Po – darauf sind einige unleserliche Autogramme mit Edding geschrieben.

Tja, sagt Verd. Wer wagt, der gewinnt!