5 Kein Eis in Vechta?

Ich habe da auf einem besorgten Spaziergang heute etwas gefunden.
Vielleicht ein guter Kommentar zu meinem Thema. „Kein Eis in Vechta.“

Ich habe schon gehört, was für ein Sakrileg es wäre, Vechta das Eis wegzunehmen, nachdem ich von anderen AiRs erfahren hatte, wie wichtig das Eis für die Vechtaer Seele ist, aber das mit ohne Eis habe ja auch ich mir nicht ausgedacht. Ich habe es nur genommen und interpretiert, so dass es nichts mit Speiseeis zu tun hat, aber den Impuls verstehe ich natürlich.
Ehrlich gesagt, habe ich auch zuerst an das Speiseeis gedacht, beziehungsweise an ein ganz bestimmtes Eis.

Ein Eis aus dem Spätsommer 2018.
Friesoythe. Vorm Studiumsbeginn besuchte ich meine Heimat und ging mit einer Freundin Eisessen. Während wir da saßen, redeten, Eis in uns hinein schaufelten und hofften, dass keine ehemaligen Lehrer*innen von uns mit ihren Klassen, die Eisdiele belagern würden, roch es auf einmal nach Rauch. Erst ganz leicht, aber dann doch unverkennbar. Vereinzelte Ascheflocken segelten vom Himmel.
Und das war, wie ich von dem Moorbrand in Meppen erfuhr, den Raketenerprobungen der Bundeswehr ausgelöst hatten.

Letzte Woche hatte ich mit diesem Brand erstaunlicherweise gleich zweimal zu tun. Einmal war ich selbst schuld, das andere war dann ein (für mich) witziger Zufall. Als ich Freitag das Haus im Moor besuchte, um zu erfahren, was dort wem wie über Moor und Umwelt und Klima erzählt wird, wurde ich auf einem Moorbahnfahrt mitgenommen. Die Fahrt war von einem großen Unternehmen der Region für einen Betriebsausflug gebucht worden. Da wurde in dem Wagen, in dem ich saß auch (teilweise) über Moor geredet und einer erwähnte den Moorbrand in Meppen. Schön, dass er auch noch andere verfolgt. (Außerdem, liebe Moorbahnmitfahrer (es waren in meinem Wagen nur Männer), habe ich euch jetzt erwähnt, obwohl ich nicht zum Grillen geblieben bin. Zufrieden?)

Das erste/andere Mal, das ich letzte Woche mit dem Moorbrand zu tun hatte, war am Mittwochabend. Die Partnerschaft für Demokratie Vechta hatte eine Diskussion mit mir veranstaltet und zur Einleitung las ich einen Text über „Kein Eis in Vechta“ vor, in dem ich eben von dem Eisessen in Friesoythe und dem Feuer in Meppen erzählte.

Und somit erreiche ich die Diskussion, über die ich schreiben wollte.

Neben der Moderatorin bestand das Podium aus einer Autorin, einem Verleger, einer FSJlerin und einer Künstlerin/Autorin (ich). Eine typische Diskussionsrunde? Auf jeden Fall zeigte sich schnell, dass diskutieren mit Menschen mit denen man auf einem grundlegenden Level übereinstimmt vielleicht wenig produktiv ist. Aber wozu hat man denn ein Publikum, wenn nicht um durch vorgeschobene Argumente und ernst gemeinte Fragen einen wahren Austausch anzustacheln?

Das Publikum sorgte dafür, dass unsere vorher überlegten Kärtchen mit Themen letztlich ihre Wichtigkeit verloren und ich persönlich mir über meine eigene Meinung viel klarer geworden bin.

Was war das Ergebnis der Diskussion? Auf einer globalen Ebene vielleicht nicht viel. Wenig erstaunlicherweise konnten wir die Klimakrise nicht in eineinhalb Stunden lösen. Wir konnten auch kein genaues Rezept finden, wie jede und jeder sich verhalten muss, um die Welt zu retten.

Was aber festzuhalten ist, ist, das Reden hilft. Dass Reden wichtig ist. Und manchmal sollte man, um zu reden, auch seine Blasen, seine mehr oder weniger heilen Welten verlassen, um zu versuchen andere Menschen mit anderen Meinungen zu finden und zu versuchen, sie zu Mitstreiter*innen zu machen. Und möglicherweise können wir dann so alle gemeinsam die Erde retten (oder zumindest nicht unsere Lebensgrundlage weiter zerstören).

Eine Sache möchte ich noch erklären. Am Anfang dieses Blogeintrags war ich auf einem „besorgten Spaziergang“. Warum?

Die Besorgnis kam von Wetter. Die Schauer und der Wind der letzten Tage haben sich heute Nachmittag in ein Gewitter verwandelt und da ich meinen Spaziergang nicht aufschieben konnte, musste ich versuchen einen Moment zwischen Regengüssen und Blitzen zu finden.

Spazieren war ich, weil ich eine Geburtstagskarte noch in den Briefkasten werfen musste. Das musste heute geschehen. Wenn ich noch länger gewartet hätte, wäre es wirklich meine Schuld, wenn sie nicht pünktlich ankommt. Heute abgeschickt, kann sie es (theoretisch) noch schaffen.

Ich bin mit der Karte nur so spät dran, da Vechta nicht so aufdringlich selbstverliebt ist. Nicht, dass alle Vechtaer*innen vollkommen kritisch über ihre Heimat/ihren Wohnort denken, aber sie drängen sich einem nicht mit Postkarten auf, die einem verkünden, an was für einem wunderbaren Ort man hier ist. Was sollte auch auf den Postkarten zu sehen sein? Eine der JVAs? Ein Maisfeld? (Wahrscheinlich wäre es ein Pferd.)
Jedenfalls begegnete mir letzte Woche keine Postkarte und so musste ich mir für das Geburtstagskind, mit dem ich normalerweise unschöne Postkarten hin- und herschicke, etwas anderes ausdenken. Etwas, das vielleicht auch etwas klassischer als Geburtstagskarte durchgeht.
Nachdem ich die Karte geschrieben und mit Unmengen an Briefmarken voll geklebt hatte, wartete ich das Ende des Gewitters ab, traute mich nach draußen, wo ich den Eisbecher fand und schaffte es sogar fast wieder zurück, bis der nächste Schauer begann.
Jetzt scheint wieder die Sonne. Fast ist es irisches Wetter, das die Karte auf ihrem Weg nach Nordirland begleiten wird.